Page 24 - Aufsatz
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geschlossene Werke in Mundart. Es zeigte sich nämlich, dass es den Leuten
gefiel, wenn man sie in „ihrer“ Sprache, im Dialekt, ansprach und unterhielt, im
Unterschied zur Sprache der Stadtbewohner, der Gebildeten bzw. gehobenen
Schicht. So entstand die Voraussetzung, dass der Dialekt literaturfähig werden
konnte. In dieser Periode entstanden einige Erzählungen, Sagen und Gedichte,
deren Verfasser Großteils nicht bekannt sind. Dieser Abschnitt vor dem Werden
einer eigentlichen Mundartdichtung wird als sog. „namenlose Zeit“ bezeichnet
(z. B. Zeller Güggelöch, Stanser Klöpflnachtslied, Bettlerlied, Klöpfllied von
Schwendberg, sog. Schneidliedln, Trutzlieder, Gstanzln, Dorflitaneien,
Kinderreime).

3.3 Die ersten Mundartdichter und
       Mundartdichterinnen

Der Beginn einer eigentlichen Tiroler Mundartdichtung wird bei Karl von
Lutterotti (1793-1872) mit seinem Werk „Gedichte im Tiroler Dialect“ (1854) mit
Gedichten in schier allen Tiroler Mundarten angesetzt. Aus seiner Feder sind
„Der St. Nikolausmarkt zu Imst im Jahre 1829“, „Frau Hitt“ und „Frühlingslied“
besonders bekannt. Als Präsident der künstlerisch und literarisch
ausgerichteten Hammerschmied-Gesellschaft vermochte er Kunstschaffende
und literarisch Interessierte um sich zu scharen. In seiner Nachfolge entstand in
Imst eine erste Hochburg der Tiroler Mundartdichtung mit Karl Deutsch (1859-
1923), Sepp Heimfelsen (eig. Josef Kerausch, 1859-1934), den Brüdern
Hermann Kopp (1863-1912) und Jakob Kopp (1871-1960), von dem der Text
der „Hymne der Oberländer“ „Miar Oberländer felsaföscht“ stammt; weiters sind
Kaspar Speckbacher (1819-1899), Martha Schatz (1909-1986), die
Priesterbrüder Johannes (Hannes) Jais (Oafner Gratsch, 1893-1982) und Karl
Jais (gen. Kodl, 1895-1955) zu nennen, ebenso Tilla Rizzi-Mertlitsch (1904-
1985), Hermine Waltner (1910-2001) und Franz Treffner (1912-1984), weiters
Hubert Donnemiller aus Tarrenz (1908-1968), sie allen setzten die Pflege der
Imster Mundarttradition fort. In Landeck wirkte Luise Henzinger (1902-2003)
beispielgebend für weitere Mundartdichter aus dem Bezirk bzw. aus der Region.
Auch in anderen Oberländer und Außerferner Gegenden traten vereinzelt immer
wieder Mundartdichter in Erscheinung, oft als Gelegenheitsdichter: so u. a.
Hans Zangerle (Hans von der Trisanna, 1874-1954) in Reutte; Albrecht
Lechleitner (1888-1964) aus Elmen; Josef Praxmarer (1899-verschollen) aus
Silz und Josef Kuen aus Ötz (1900-1958).

Im Zusammenhang mit dem zum Teil wieder belebten Brauchtum entstanden
ebenfalls Verse und Reime (z. B. Labera und Vigatter bei den

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