Page 4 - Mundart_Schreibung
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1 Mundart als gesprochene Sprache–Mundart als geschriebene Sprache
Die gesprochene Sprache ist für viele Menschen Mundart oder zumindest Umgangssprache. Für viele
Menschen, z. B. bei uns, ist die Mundart auch die eigentliche, erste und ursprüngliche
Muttersprache.3 Ich befasse mich in meinen anschließenden Überlegungen und Argumentationen vor
allem mit der Mundart. Mündliche Kommunikationssituationen werden von Mundartsprecher/innen
durchwegs im Dialekt gestaltet.4 Schriftliches liegt dagegen hauptsächlich in hochsprachlicher Form
(= Schriftsprache) vor (deswegen heißt sie schließlich ja auch so). Natürlich sprechen viele Menschen
eine an der Hochsprache als idealer Norm ausgerichtete Variation einer Standardsprache. Die
Schreibung der Schriftsprache ist genormt, was bei der Schreibung in Mundart (leider oder Gott sei
Dank?) nicht der Fall ist. Wohl ist Sprechen nicht Schreiben, dem Schreiben liegt aber genau so
Gedachtes sowie Gesprochenes zu Grunde. Man könnte daher die These formulieren, es gäbe somit
in Bezug auf die Verschriftlichung von Mundart in etwa annähernd gleich viel Schreibungen wie
Schreibende. Dies lässt vielleicht manchmal den Eindruck von Beliebigkeit aufkommen, bestimmte
minimale Kenntnisse über Sprache können sich hierbei als hilfreich erweisen.5 Mehrmals gab es von
verschiedenen Autoren je nach theoretischem Wissen und (sprach-)wissenschaftlichem Hintergrund
sog. Empfehlungen, Hinweise, Anleitungen bis hin zu Versuchen einer Vereinheitlichung. Letztlich
konnten diese jedoch alle nicht den in sie gesetzten Erwartungen entsprechen, weil die Mundarten
insgesamt dafür wohl zu unterschiedlich sind. An späterer Stelle werde ich dazu ausführlicher und vor
allem konkret Stellung beziehen, auch zu einschlägigen Empfehlungen und Anregungen, vorerst
jedoch einige Zusammenhänge und Gegebenheiten aufzeigen. Es hat auch mehr oder weniger jede/r
Mundartschreiber/in „seine bzw. ihre“ Schreibung gefunden.6 Wichtig ist m. E., dass sie nicht zufällig
oder beliebig, sondern begründet, systematisch und durchgehend erfolgt und letztlich auf eine Art
benenn- und bezeichenbares Regelwerk zurück geführt werden kann bzw. zumindest könnte.7
Es ist immer wieder erstaunlich und zumindest teilweise verwunderlich, welche Schreibweisen
durchaus Ernst zu nehmende Versuche und Bemühungen der Verschriftlichung von
Mundartausdrücken bewerkstelligen, zu welchen oft kreativen und originellen und dennoch
manchmal bedenklichen Lösungen derartige Bestrebungen führen (z. B. Kietl [Kitl] – Kittel, Rock; liien
[lien] – Kuh brüllt, muhen; Söldor [Sölder]– Dachboden u. v. a. m.) und wie unterschiedlich
phonetische Eigenheiten von Gesprochenem bei Zugeständnis gewisser lokaler und generationaler
Eigenheiten und Differenzen auf Grund der doch recht uneinheitlich ausgeprägten und geschulten
3 Diese Muttersprache nennt z. B. Goethe „die Sprache des Herzens“, ich bezeichne sie als „Sprache der Seele“. Für die
Theologie stellt die Muttersprache „ die Sprache Gottes“ dar, in welcher z. B. Gotteserfahrungen und Gottesbegegnungen
möglich sind (vgl. Roman Siebenrock: Vortrag „Der Geist des Konzils – ein neues Pfingsten der Kirche“ am 31. Jänner
2013, 19.30 bis 22.30 Uhr in Landeck, Alter Widum)
4 Saxalber-Tetter Annemarie: Gesprochene Sprache. In: Saxalber-Tetter Annemarie (Hg.): Dialekt-Hochsprache als
Unterrichtsthema. Anregungen für Deutschlehrer. Bozen/Südtiroler Kulturinstitut, Arbeitskreis Südtiroler Mittelschullehrer
1985, 9(-23); Saxalber-Tetter Annemarie: Gesprochene Sprache – geschriebene Sprache. In: Saxalber-Tetter Annemarie
(Hg.): Dialekt-Hochsprache als Unterrichtsthema. Anregungen für Deutschlehrer. Bozen/Südtiroler Kulturinstitut,
Arbeitskreis Südtiroler Mittelschullehrer 1985, 33(-53); Lanthaler Franz: Dialekt und Sprachwahl. In: Saxalber-Tetter
Annemarie (Hg.): Dialekt-Hochsprache als Unterrichtsthema. Anregungen für Deutschlehrer. Bozen/Südtiroler
Kulturinstitut, Arbeitskreis Südtiroler Mittelschullehrer 1985, 169-186
5 tp (Thomas Ploder): Namenstag für Ötztaler Fluren. Nach aufwändigem Prozess schloss Längenfeld die Erhebung der
Flurnamen ab. In: Tiroler Tageszeitung 263-IM (Lokal), 70. Jg., Mi 24.9.2014, 41: „Immer wieder stellte auch die
Schreibweise der Titulierungen im Ötztaler Dialekt in Bezug auf eine korrekte Erfassung in der Gesamtübersicht eine
entsprechende Herausforderung dar.“ Experten der Mundartschreibung wurden jedoch nicht kontaktiert.
6 „Bekanntlich ist die Schreibweise von Mundart problematisch. Es gibt nun einmal keinen „Duden“ dafür“ schreibt Kurt
Gebauer im Vorwort zum Idiotikon von Franz Stelzhamer: Sämtliche Dichtungen in seiner Mundart. Herausgegeben. von
Kurt Gebauer. Linz/Arkade-Verlag 1995, 393. Die hier angesprochene Großzügigkeit und Eigenwilligkeit Stelzhamers
erachte ich zur Lösung des Problems als wenig hilfreich.
7 Zwei Grundregeln wären eigentlich ausreichend: 1. So schreiben, wie gesprochen wird. 2. Keine Verfremdungen
gegenüber der Standardschreibung vornehmen.
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