Page 2 - Mundart und die Moderne
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Zu keiner Zeit war die schreibende Zunft solchen Veränderungen ausgesetzt als
               in unseren Tagen. Rechtschreibreformen und neue Sprachgewohnheiten drängen
               auf uns ein. Die Moderne beansprucht einen Platz in unseren Redewendungen.
               Der Lauf der Zeit. Die gesprochene Mundart färbt sich in jedem Tal mit
               englischen Verben.

               Es stellt sich die Frage was ist die Aufgabe der Mundartautoren:

               Das Alte zu bewahren, zu schützen, oder die aktuelle Mundart zu benutzen. Was
               ist denn das Alte? Ist gemeint die Sprache vor 50 oder vor 100 Jahren, oder noch
               früher?

               Unsere Sprache unterliegt einem steten Wandel. Wenn wir zu lange nur alte
               Sprachgewohnheiten ausüben, werden wir bald keine Leser mehr haben...wenn
               wir modernes Reden fördern, geht das Alte verloren. Neben einigen Sprach-
               Wissenschaftlern sind wir jene die dieses alte Gut noch pflegen. Wie aber sollen
               wir dabei vorgehen? Es gibt kein Verzeichnis mit einzelnen Punkten wie
               vorzugehen sei, aber eine Betrachtung sei mir gestattet:

               Irgendwann in grauer Vorzeit hat sich der Gleichklang von Silben als sehr
               angenehm im Ohr und wohltuend im Gefühlsleben erwiesen. Was lag näher als
               dies den Kindern zu vermitteln. Was lag näher als Reime zum Abzählen und
               Gedichte zum Aufsagen zu erdichten und hie und da sogar aufzuschreiben. Und
               ganz ehrlich wer macht denn heute noch einen Kinderreim? Ein uralter
               Auszählreim aus dem hinteren Zillertal lässt uns die Verbindung von Spruch,
               Reim, Rhythmus und Sprachmelodie erkennen:

               Une, tue, detinö,
               sia, wia, kambinö,
               tiggl, taggl, zaberjaggl,
               wia, weia, wonn.

               Herrlich!

               Dabei wurde das Wenigste zu Papier gebracht, obwohl es immer wieder vorkam
               und kommt, dass eine derbe Bauernfaust den Bleistift in die Hand nimmt und
               das Gereimte niederschreibt.
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