Page 23 - Aufsatz
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Von erster mundartlicher Kunstlyrik kann in etwa ab Mitte des 18. Jahrhunderts
gesprochen werden. Mit Wien, Oberösterreich und Bayern entstanden im
österreichisch-bairischen Sprachraum drei Zentren für die neue Dialektliteratur,
die in bewusster Unterscheidung zur standardsprachlichen Literatur entstand
und eine deutliche Blüte erfuhr.xli So waren es anfänglich Volksstücke, sog.
Mysterienspiele, Passions- und Weihnachts-, Nikolaus- und Ritterspiele, welche
mit mundartlichen Textteilen versehen wurden, sowie auf lokale Ereignisse und
brauchtumsrelevante Anlässe bezogene Verse und Lieder.
Beispiele dafür sind u. a. Brautsingen, Hochzeitsladersprüche, Klöpfellieder,
Sternsingen und Neujahrssingen, das sog. Zeller Güggeloch, Mottiga Witze;
das Kirchenjahr, Gelübde wegen Bedrohungen und Katastrophen bildeten
jeweils Anlässe. Die Stücke und Texte dienten der Unterhaltung wie der
Belehrung, besonders ab der Gegenreformation sahen die Jesuiten darin einen
wichtigen Beitrag zur Volkserziehung in der Volkssprache. So sind in
verschiedenen Orten Dreikönigsspiele überliefert, es gab z. B.
Passionsaufführungen in Silz, Telfs und Nauders.
In Fulpmes schuf Sebastian Sailer 1744 eine deutschsprachige Fassung von
„Die Erschaffung der Welt“ nach einem lateinischen Vorbild mit dem berühmten
Mundartvers „Nuits ist nuits und aus nuits kann nuits wern“.xlii
Von Pater Kassian (Karl) Primisser OCist vom Stift Stams ist das 1796 verfasste
Gedicht „A Lied im Franzosen Rummel“ überliefert.
Der aus Telfs stammende Franz Karl Zoller (1743-1829) schrieb das Lustspiel
„Der Tiroler Kirchtag“ in Mundart, bekannt wurde auch sein „Spingeser
Schlachtlied“, welches in zehn Strophen zur Verteidigung der Heimat gegen die
Franzosen 1797 aufrief.
Ein Brief von Maria Schöpf aus Niederthai 1854 an ihren studierenden Sohn
Josef Anton Schöpf gilt als älteste schriftliche Dialektprobe aus dem Ötztal,xliii
wobei anzunehmen ist, dass der Brief von Schöpf selbst stammt. Er verfasste
auch Erzählungen und theologische Abhandlungen.
3.2 Erste mundartliche Werke
Waren es anfänglich also einzelne Verse und Szenen im Dialekt, die sich im
ländlichen Milieu abspielten, so entstanden ab Mitte des 19. Jahrhunderts erste
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