Page 22 - Mundart_Schreibung
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6 Abschließende Bemerkungen
Mundart begegnet primär als gesprochene Sprache. Die ab der Mitte des 20. Jahrhunderts
feststellbare Hinwendung zur Mundart führte zu einer Häufung und Zunahme in der Produktion von
Gebrauchstexten und literarischen Texten in Mundart sowie zu verstärkten Bemühungen und
Maßnahmen zur Erhaltung und allenfalls sogar Wiederbelebung in Vergessenheit geratener oder
davon bedrohter Wörter und Ausdrücke. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber auch im
Zusammenhang mit der verstärkten Individualisierung und damit Lokalisierung bzw. Regionalisierung
zu sehen. So erlaubte das Zweite Vatikanische Konzil die Vornahme der Liturgien in der jeweiligen
Landessprache oder auch Lokalsprache. Vorher wurde Mundart durchwegs als Bauernsprache bzw.
eher restringierte Sprache der Landbevölkerung aufgefasst. Besonders durch die Mundartliteratur
erfolgte eine Besinnung auf die psychologische Bedeutung der Mundart als Muttersprache, auf ihren
Stellenwert und auf ihre Bedeutung für geistige Prozesse, auf ihre möglichen förderlichen oder
hemmenden Auswirkungen beim Lernen und für schulische und akademische Leistungen, für die
Ausbildung der personalen und regionalen Identität, auf mögliche positive wie negative Interferenzen
für das Erlernen der Standardsprache und für das Sprachenlernen sowie auf die
situationsangemessene Verwendung der jeweiligen Sprachform. Schreiben in Mundart kommt dem
Prozess des Komponierens insofern recht nahe, als dabei versucht wird, musikalische Klangfarben in
Notenform zu verschlüsseln. Ähnlich entwickelten und verwenden verschiedene Mundartautoren
jeweils eigene und damit unterschiedliche Schreibungen, wobei eine möglichst große Anlehnung an
die schriftsprachliche Schreibung oder die möglichst getreue Wiedergabe der mundartlichen Lautung
als wesentliche normierende Tendenzen einer Verschriftung von Mundart bestehen.
Mundartschreibung basiert vor allem auf ihrer phonetischen Differenzierung. Die Verwendung einer
Lautschrift bzw. lautschriftähnlichen Schreibweise erweist sich vielfach als wenig praktikabel.
Jedenfalls sollte die gewählte Verschriftungsmodalität eine in lautlicher Hinsicht möglichst getreue
Abbildung und Wiedergabe der gesprochenen Sprache zulassen und letztlich auf ein benenn-,
begründ- und bezeichenbares Regelwerk zurück geführt werden können, wie sie die vorgestellten
und besprochenen Systeme einzelner Mundartautor/innen darstellen, um nicht nur weitgehend
beliebig auf der Basis individueller Lösungen zu erfolgen. Eine intensivere einschlägige Diskussion und
eingehende fachliche Erörterung nicht nur unter sprachwissenschaftlichen, sondern auch unter
psycho- sowie soziolinguistischen und schreib-lesedidaktischen Gesichtspunkten könnte hierbei
durchaus hilfreich sein.
Autor
HR Prof. Dr. Hubert Brenn
6444 Längenfeld 158
Tel. 05253/5090
eMail: mailto:brenn@tsn.at
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