Page 19 - Mundart_Schreibung
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Die Schreibung der Mundart soll so weit als möglich dem Lokalkolorit nachkommen und die
jeweiligen Eigenheiten dadurch erkenntlich machen. Die Ausrichtung am schriftsprachlichen
Schriftbild (etymologisches Prinzip) ist unproblematisch, wenn dadurch die mundartlichen
Spezifitäten nicht verwischt werden (z. B. auf an Bamen [Brenn] oder afan paamen [Haid], a
Baure [Brenn] oder a paure [Haid], an Ende oder an Ente u. a.; die Anlaut- oder
Auslautverhärtung bedingt sowieso eine stimmlose Aussprache). Weder eine nivellierende
Verflachung noch eine zu starke Verfremdung sind dem Anliegen dienlich. Das Argument der
Erleichterung der Lesbarkeit ist ebenso wenig hilfreich wie eine Erschwerung der Lesbarkeit
durch allerhand eigene Erfindungen. Bereits bei der Schreibung des Titels des
Mundartlesebuchs „Hoangart“ stieß ich diesbezüglich auf Grenzen, weil dieses Wort in
verschiedenen Tiroler Gegenden recht unterschiedlich ausgesprochen wird (z. B. Hoangarchrt,
Hoangart, Hoangacht, Hoangrt, Hoangarscht, Huengert, Huengrt, Huengerscht u. a.). So
entschied ich mich ausnahmsweise für die verwendete Schreibung, weil sie unterschiedliche
Aussprachemöglichkeiten zulässt, jedoch im Wissen, dass diese nicht erkenntlich gemacht
sind (im Ötztaler Dialekt: Hoangarchrt).
Damit ist auch gleich ein wichtiger Aspekt aufgegriffen und angesprochen. Wiederholt wurde
ich hinsichtlich der Schreibung dieser Lautverbindung –rchrt (hochdeutsch –rt, -rd) kritisiert,
vor allem von Isidor Grießer.41 Hans Haid schreibt sie –rcht (z. B. drwittrcht42), andere
Autor/innen wie Margreth Schöpf, Vinzenz Kuprian oder Rosamunde Leiter teilweise
unterschiedlich. Ich habe mich für diese Schreibung entschieden, weil sie der Aussprache
nahe kommt, und behalte sie daher bewusst bei.
Spezifische Kennzeichnungen von Vokalen (Akzente, „Ringerl“ u. a.) verwende ich nicht. Auch
ohne derartige Hilfszeichen kann die Lautierung entsprechend verschriftlicht werden. Die
Dehnung von Vokalen wird weitgehend analog zur Hochsprache angedeutet, wobei ich eine in
der Hochsprache nicht gegebene Verdoppelung nicht vornehme (Hans Haid: keemen, foonen;
Hubert Brenn: kemen, Fonen). Eine solche Verdoppelung schiene mir nur für den Fall
gerechtfertigt, dass die beiden Vokale auch gesprochen würden (ke-emen, fo-onen) [wie in
anderen Sprachen]. Die Schreibung Fohnen lehne ich ab, weil das stumme h lautlich nicht
hörbar und daher für eine phonetisch ausgerichtete Schreibung nicht von Relevanz ist.
Auch zumeist störende Hilfszeichen wie Apostrophe zur Kennzeichnung von Laut- bzw.
Buchstaben-Auslassungen, Klammern und Bindestriche vermeide ich weitestgehend, da sie
den Lesefluss beeinträchtigen. Nur wo sie unverzichtbar für die Sinnerschließung sind, haben
sie einen Platz.
Die in den verschiedenen Tiroler Mundarten recht unterschiedlich ausfallenden Artikel- und
Fürwortbildungen (das, es, sie, diese, Anredewort Ihr u. a.) auf –s werden kontaminiert durch
Anhängen oder Versetzen von –s wieder gegeben, also in Verbindung mit dem
vorangehenden Endlaut der betreffenden Silbe bzw. des jeweiligen Wortes. Kontaminationen
sind keinesfalls sinnstörend und auch in anderen Sprachen durchaus übliche Mittel der
grammatikalischen Formenbildung (z. B.: wenns statt wenn’s – wenn es, wennets – wenn ihr,
hobets – habt ihr; weiters auch kimmeschte statt kimmescht de – kommst du, oder pfieti statt
pfiet di u. a.).
Wo h hörbar gehaucht wird, erfolgt die Notierung, sonst jedoch nicht. Diphthongierte Vokale
kommen ebenfalls zur Darstellung und bezeichnen nicht nur lautliche, sondern allenfalls auch
41 vgl. Grießer Isidor: Wenn Alte wieder kamen. Bauernsaga im Ötztaler Dialekt. Imst/Eggerverlag o. J. (1991), 7-10
42 vgl. Haid Hans: Lese Buch. Lyrik, Prosa, Theater, Aufsätze, Polemik. Wien/Frischfleisch und Löwenmaul-
Bozen/Südtiroler Autorenvereinigung 1984, 62
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