Page 5 - Microsoft Word - Geschichten
P. 5

Geschichten Joseph (Sepp) Rossa



               Einfahren

               Es ist halb fünf Uhr in der Früh. Ein wolkenverhangener Mittwoch im Juni

               lichtet sich vom Osten her ins morgendliche Grau. Die Unruhe im

               hellerleuchteten Told-Stall nimmt zu. Schellengebimmel und helles Glockengeläut

               dringt durch die offene Stalltür. Dann das dumpfe, blecherne Geschepper als der

               Bauer der Bless den alten Kumpf  umhängt. Herbert, der Melcher, schreit ein
               warnendes: "paßt´s au!" zu den 2 Buben, die noch halb verschlafen zwischen den

               unruhigen, schon abgehängten Kühen lehnen.


               Und als wollten sie zum letzten Mal ihre Herberge des vergangenen Winters

               begutachten stolpern die Rinder durch den Stall. "Seid´s soweit?" fragt die

               Bäuerin vor dem Stall und hält 3 Rucksäcke mit der Jausn bereit. "Ja, glei"

               meint der Herbert, geht zur Stalltür und macht sie auf. Zögernd schreitet die
               "Liesl" ins Freie. Langsam kommt eine nach der anderen nach. Nur die Bibiane

               und die Franzi wollen nebeneinander durch die Tür. Aber die zwei haben ja

               immer solchen Handel. Unsicher stehen die Tiere vor dem Stall. Die Bäuerin und

               der Nachbar passen auf, daß keines ins Feld springt.


               Weil sich einer der Buben einen an der Stallmauer gelehnten Stecken genommen

               hat, schreit der Melcher den Hannes an:"Halt Büabl des isch meiner" und nimmt
               dem Verdutzten den Stecken aus der Hand.


               Dann geht der Herbert gemächlichen Schrittes auf die Straße und mit einem

               fast zärtlichen: "Geah Kusala, geah..." macht er sich auf den Weg. Langsam folgen

               ihm die älteren Kühe, die schon wissen um was es heute geht. Mit einem lauten

               "geah" rennen die Buben um die trägen noch herumstehenden Jungrinder herum

               und hauen mit ihren Stecken auf die sich bietenden Flanken der Tiere. "Nit
               haun" warnt der Bauer und schubst eine unwillige Kuh in die Gehrichtung.

               Übermütig springt eine Kalbin in Richtung Tennen aber die Bäuerin scheucht sie

               der sich in Bewegung gesetzten Herde nach. "Geah..geah..." tönt es durch den

               grau werdenden Morgen und Mensch und Tier beginnt den viele Stunden


               dauernden Marsch auf die Alm.


               Seite -4-
   1   2   3   4   5   6   7   8   9   10