Page 13 - Dialekt
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Vermischungen statt, ursprüngliche Dialekte gehen dort in Folge der Vielzahl und
Angleichungen zurück. In Kerngebieten, wo jetzt im Unterschied zu früher auch
Berufsgruppen mit höherer Bildung bleiben und leben, arbeiten und wohnen, werden
dagegen auch die urtümlichen Dialekte beibehalten.
Was Basil Bernstein in seinen soziolinguistischen Untersuchungen für die englischsprachige
Bevölkerung konstatierte, nämlich dass dialektsprechende Personen einen eher
restringierten Sprach- und Sprechcode aufweisen gegenüber dem elaborierten Code des
Personenkreises der gehobenen Sozialschichten,xxvi trifft auf die sprachlichen
Gegebenheiten bei uns so nicht zu. Eine klare Abgrenzung zwischen gebildeten
Standardsprecher/innen und Dialektsprecher/innen ist zum Beispiel im Unterschied zum
Englischen je nach Region unterschiedlich ausgeprägt und nicht belegbar.
In dialektgeografischer Hinsicht gehört der größte Teil Österreichs zum bairischen
Dialektraum (mit Altbayern und Südtirol), nur Vorarlberg gehört wie die Schweiz mit
Südwestdeutschland zum alemannischen Dialektraum. Innerhalb dieser Großräume können
die Unterschiede sehr groß sein, besonders in den alpinen Hochtälern sind bzw. waren
bisher die Dialekte durchwegs geografisch bedingt sehr kleinräumig.
Die meisten Österreicher und Österreicherinnen und natürlich Tiroler und Tirolerinnen
beherrschen einen Dialekt als ihre eigentliche Muttersprache, eine (regionale)
Umgangssprache und die Standardsprache mit zumeist mehr oder weniger regionalen
Färbungen. Der oft übergangslose Wechsel von einer Sprachschicht zur anderen ist für die
Österreicherinnen und Österreicher geradezu kennzeichnend, wobei im Westen, also bei
uns, allfällige Abgrenzungen deutlicher ausfallen.
Die Sprachgeographie des Deutschen kennt drei große Dialekträume. Die Tiroler Mundarten
der einzelnen Talschaften und Regionen gehören hauptsächlich zu den bairisch-
österreichischen Mundarten, ausgenommen die alemannischen Sprachgebiete im Außerfern.
So zeigt sich im Oberland eher der durchwegs konservative Lautstand des Südbairischen im
Unterschied zu den Mundarten im Unterland, welche zahlreiche Merkmale des
Mittelbairischen aufweisen. Die Verwendung der drei bzw. vier Sprachschichten erfolgt
weitgehend situationsabhängig: Dialekt und auch Umgangssprache sind eher die
Sprachformen des vertrauten, privaten und persönlichen Umgangs; Standardsprache ist die
Form der öffentlichen und schriftlichen Kommunikation (wobei Jugendliche SMS durchwegs
im Dialekt oder in der Umgangssprache in einer spezifischen Jugendsprachexxvii verfassen
und auch in der Unterhaltungsmusik und in der volkstümlichen Musik Dialekttexte lieben).
Wortschatz, Wortbedeutung, Wortbildung, Aussprache, Betonung und Phraseologie und
teilweise auch Grammatik sind nach wie vor durch Übernahmen aus dem Dialekt
Veränderungen unterworfen. Bestimmte Wörter sind als Standardbezeichnungen auf
gewisse Regionen beschränkt. Die Zugehörigkeit zu einem Dialektgebiet bedingt manche
Gemeinsamkeiten, auch durch die Geschichte und Grenzverläufe sich ergebende
Fremdworteinflüsse sind nachvollziehbar.xxviii
Niemand kann absehen, wie es mit unseren Tiroler Mundarten weiter gehen wird. Aber
letztlich liegt es an jeder Tirolerin und an jedem Tiroler, welche Sprachform sie pflegen und
für welche sie sich entscheiden.
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