Page 23 - Dialekt
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6 Zusammenfassung
Deutsch als plurizentrische Sprache verfügt über mehrere Ausprägungsformen. Das
Österreichische Deutsch wird in verschiedenen Varietäten gesprochen. Mundart ist für viele
Menschen die eigentliche Volks-, Gemein- bzw. Muttersprache und als solche eine vor allem
in emotionaler Hinsicht ursprüngliche Ausdrucksform.
Daneben bestehen bzw. gab es schon immer aber noch weitere Sprachebenen wie
Verkehrs-, Umgangs-, Kontakt-, Gebrauchs-, Standardsprache, Gehobene Sprache,
Schriftsprache bzw. Hochsprache. Daher ist den Mundarten ebenso wie den anderen
europäischen Regionalsprachen, die gleichzeitig oft auch Minderheitensprachen sind,
entsprechendes Augenmerk zu widmen und sind ihnen Beiträge zur Stärkung zukommen zu
lassen.
Für unser Heimatland Tirol sind unsere Mundarten solche Regionalsprachen bzw.
Regiolekte, die gefährdet sind und daher der Unterstützung bedürfen. Allerdings nicht
unbedingt in der Form, dass man sie künstlich konservieren sollte, sondern durch gezielte
Maßnahmen der Pflege und Förderung. Ein wichtiger Beitrag der Identitätsbildung erfolgt
über die Sprache. Es ist ein Kreisprozess: regional-kulturelle Identität bewirkt den Gebrauch
und damit die Bewahrung der Mundart als regionale Alltags- und Kontaktsprache, und die
Verwendung und der Erhalt des Dialekts bewirkt die Ausbildung und Entstehung von
personaler wie regional-kultureller Identität.
Es bräuchte in diesem Zusammenhang dringend neue Wege der Kunst- und (nicht nur)
Dialekt-Literaturförderung, effektive akzentuierte bildungspolitische Maßnahmen und gezielte
Aktivitäten und Impulse in Mundartkreisen und ähnlichen Vereinigungen.
Anlässlich von Aufenthalten im Rahmen der Europäischen Bildungskooperation habe ich
erleben und erfahren können, wie z. B. in Irland Gaelic bzw. das Gälische als irische wohl
schon eher National- als Regionalsprache Wertschätzung und Blüte erfährt, ähnlich Scots in
Schottland wie auch Welsh in Wales, Baskisch im Baskenland, Breton in der Bretagne,
Katalanisch in Katalonien oder Malti in Malta usw., und ich muss sagen, mich hat das jedes
Mal sehr beeindruckt.
Auch, dass bei offiziellen Anlässen zuerst immer in der Regionalsprache gesprochen wird.
Wir brauchen heute beides, einen starken Bezug zu unserer Region und unserer regionalen
Kultur und Sprache, und die Beherrschung einer Standardsprache sowie gleichfalls die
Kenntnis und Beherrschung anderer Sprachen, wie es die Europäische Kommission als
bildungspolitische Zielstellung formuliert hat. Das Motto darf nicht sein entweder - oder,
sondern sowohl - als auch. Wenn ich weiß, wer ich bin und woher ich komme, dann brauche
ich mich vor dem anderen weder zu fürchten noch zu verstecken, ich kann ihm offen,
freundschaftlich und tolerant begegnen. Wer miteinander sprechen kann, wer sich also
gegenseitig in sprachlich-kommunikativer Hinsicht verstehen kann, wird dazu auch eher auf
einer sozialen, menschlichen Basis in der Lage sein.
Zum Abschluss möchte ich meinen Blick in die Zukunft richten: Wie wird unser Land in
hundert Jahren sein? Wie werden die Menschen da leben und sprechen? Welche der derzeit
gängigen Sprachvarietäten werden da noch zu hören sein? Und wird es unsere Tiroler
Mundarten noch geben?
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