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Geschichten Joseph (Sepp) Rossa
die Wieserin von der Scheibn unten da herauf geheiratet hatte kam der Hans
fast jeden Sonntag um seine Schwester zu besuchen. Und was soll man da viel
reden? Nach einer Zeit fragte die Wieserin: "Wia geahts da Anni?" "Woll, woll, es
tuat" sagte der Hans nach einer Weile. Und ein: "Ah so" schloß dieses
Gesprächsthema ab.
Die Sonne war in der Zwischenzeit über den Wildofen und den Hirzer übern
Grat gewandert. Der Schnaps neigerlte sich auch schön langsam zu Ende und
nach einem Räuspern meinte der Hans: "Dann werd i gen giahn". Die Alte
schaute gen Süden in den Wald und als sie dort nichts gewahrte sagte sie:
"Geahst schun?" Und das sagte sie seit über 40 Jahren beinahe jeden Sonntag.
Nach etwa einer viertel Stunde stellte der Hans seine leere Flasche auf den
Fensterbalken und ohne ein weiters Wort machte er sich abwärts auf den Weg.
Als er weiter unten im Gebüsch verschwand, stand auch die Wieserin auf,
schaute auf die eben hinter der Roten Wand untergehende Sonne, nahm die
beiden geleerten Fläschchen und das alte Sofakissen, auf dem sie saß, und
schlurfte ins Haus. Vom Kolsaßberg rüber zogen die dunklen, langen Schatten
langsam den steilen Weerberg herauf und einSonntag neigte sich mit
feiertäglicher Ruhe seinem Ende zu.
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