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Geschichten Joseph (Sepp) Rossa



               Der Hans

               Unter einem Himmel düsterer Wolken war der April in sein letztes Drittel

               gekommen. Die Laubbäume hielten die Knospen noch geschlossen, zu unsicher

               schien ihnen das Wetter. Die Äste schauten aus wie in die Höhe gereckte Hände

               und die Zweige wie geschwollene Finger. Da kursierte eine unfassbare Nachricht

               durch das nach dem Verschwinden der letzten Schneereste erwachende Dorf.
               Der Hans is gstorbn. Obwohl viele im Dorf diesen Namen tragen, wusste jeder,

               allein aus dem Tonfall mit dem diese Schreckensmeldung verbreitet wurde um

               wen es sich handle. Aufgeschreckt und mit fassungslosem Staunen lauschte jeder

               den Worten des Überbringers.


               Unglaubhaft, weil er nicht krank war, weil er nicht alt war, weil er noch am

               Vortag bei der Schafzuchtversammlung war, weil so einer wie er nicht einfach


               stirbt und nimmer da ist. Und wenn ein Begräbnis der Ausdruck der
               Wertschätzung eines Menschen ist, dann trugen sie hier einen großartigen

               Menschen zu Grab. So war es auch. Alle Vereine, die Musik die Schützen,

               Abordnungen von unten vom Land, gingen in dem schier endlos langen Zug mit.


               Eine Betroffenheit schwelte über der Trauerversammlung und sogar das Wetter

               war trüb und legte Trauer auf die Leute. Der Bestattungsunternehmer leierte

               ohne innere Anteilnahme seinen Text. GegrüßtseistduMaria trompetete er in das
               spannungsgeladene Geschlurfe vieler schwerer Schritte, die den Sarg begleiteten.



               Nur die wenigen die vom Heimgang des Hans nicht betroffen waren ließen sich
               von der gefühllosen Deklamation der Gebete aus der nachdenklichen Stimmung

               bringen.


               Die andern, der Großteil des Dorfes, waren so sehr in das Abschiednehmen

               versunken, so sehr mit ihren Gedanken bei dem Verstorbenen, dass sie diese

               Ungehörigkeit nicht wahrnahmen. Weißgekleidete Kindergarten-Mädchen gingen

               hinter dem Sarg und ich dachte zurück als unsere Kinder noch klein waren, wie
               der Hans sie abholte in den Kindergarten. Er blieb nicht einfach mit seinem

               Kleinbus stehen, sondern stieg aus, öffnete die Tür, half den Kleinen hinein und

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