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Geschichten Joseph (Sepp) Rossa
Wiedersehen
Es war ein warmer Spätsommertag. Nach mehr als 5o Jahren wanderte ich
wieder durch das immer noch stille Moosachtal. Gegen Ende des Krieges hatten
wir unsere Wohnung, in der großen Stadt, bei einem Bombenangriff verloren. In
einem Einödshof fanden wir, Mutter und meine drei Geschwister, Unterschlupf.
Natürlich mussten wir die zweiklassige Volksschule besuchen. Der Fußweg dahin
betrug eine Stunde. Etwas langsamer als in der Kinderzeit ging ich nun zum
ersten Mal seit jener Zeit wieder diesen Weg. Erinnerungen kamen auf, man
hatte doch allerlei erlebt auf dem Weg zur Schule. Die einheimischen Mitschüler,
die uns anfangs nicht sehr wohlgesonnen waren, die Forellen in der Moosach, der
schwer verständliche Text der Gebete in der Dorfkirche, der herrliche Duft aus
der Bäckerei....
Ich spazierte durch das kleine Dorf. Es war still und beschaulich. Ein Gockel
krähte und aus einem Stall war das Muhen einer hungrigen Kuh zu hören. Oder
sind die Kühe jetzt nicht mehr hungrig, sondern verlangt sie nach dem
Veterinär? Ein altes Mütterlein war dabei während der wärmenden
Sonnenstrahlen Brennholz an der Hauswand aufzuschlichten.
Sie nickte mir freundlich zu. Auf dem Weiterweg fiel mir ein, dass eben in diesem
Haus ein nettes Mädchen gewohnt hatte. Elfriede. Die, mit den Augen wie
Vergissmeinnicht. Und meine erste Liebe. Ob sie wohl noch lebt?
Das alte Schulhaus hatte einem Neubau weichen müssen, einige Namen auf den
Grabsteinen im Friedhof kamen mir noch bekannt vor, aber sonst war alles neu
und gepflegt. Das lässt nur schwer ein heimeliges Gefühl aufkommen.
Am Rückweg war die alte Frau immer noch beim Holzaufrichten. Sie sah mir
entgegen, mit der Hand die Augen vor der tiefen Sonne schützend, und ein leises
Lächeln stahl sich über das zerknitterte Gesicht. Ich trat etwas näher, zwei
Augen, blau wie Vergissmeinnicht blitzten mich an. Elfriede, schoss es mir durch
den Kopf.
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