Page 15 - Mundart_Schreibung
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5 Lösungsversuche

(1) Johannes Hauer28 vertrat die Auffassung, die Schreibung in der Mundart solle „dem gewohnten
Schriftbild der hochdeutschen Buchsprache möglichst angeglichen“ sein. Dazu bringt er einleitend
eine Reihe von in diese Richtung zielenden und diese Auffassung bestätigenden Äußerungen von
Mundartdichtern genau so wie von Germanisten. Besondere mundartliche Lokaleigenheiten sollten
aber jedenfalls erhalten bleiben. „Ringerl“ über dumpfem °a, Apostrophe für Auslassungen,
Klammern und andere Hilfszeichen wie Bögen, Dehnungsstriche u. a. sollen tunlichst vermieden
werden, da sie das Lesen erschweren. Den Mundartschreibenden wird angeraten, jeweils einen sog.
„Einheits-Schreibschlüssel“ anzulegen, um so eine durchgehend einheitliche Schreibweise sicher zu
stellen. Besonders durch seine Tätigkeit als Herausgeber und Lektor zahlreicher Mundartbücher der
Reihe Lebendiges Wort beim Verlag Welsermühl zwischen 1959 und 1983 fanden seine Anregungen
und Empfehlungen weite Verbreitung, auch wenn sie im einzelnen dann doch manchmal zu m. E.
gerade für die Tiroler Mundartlandschaften unpassenden Schreibvariationen führten.

[1] Bezüglich der S-Schreibung werden 5 Möglichkeiten aufgezeigt:
a) Artikel „das“ (im Ötztaler Dialekt: is, das i wird gesprochen und ist deutlich zu hören)
b) das Personalpronomen „sie“ Singular und Plural (im Ötztaler Dialekt: si, manchmal se)
c) das Personalpronomen „es“ (im Ötztaler Dialekt: is, manchmal es)
d) die Anrede „ihr“ (ös; im Ötztaler Dialekt: des)
e) als Zischlaute (z. B. a hoaßs Wosser; im Ötztaler Dialekt: a hoaßes Wosser)
Diese 5 aufgezeigten Möglichkeiten mögen daher durchaus auf einige Mundarten zutreffen, jedoch
keinesfalls auf alle. Sie dennoch derart generell bzw. generalisierend einzufordern, stellt daher einen
ziemlichen Eingriff in die Eigenheiten anderer Mundarten dar und bedingt oft recht eigenartige,
verzerrende und verfremdende Sprachschöpfungen.
[2] Ähnliches gilt auch bezüglich der H-Schreibung: Die aufgezeigten Empfehlungen treffen auf den
Ötztaler Dialekt kaum zu: a) Dort, wo das „ch“ (z. B. bei den Endsilben „-ich“ und „-ig“) am Wortende
kaum oder nicht hörbar gesprochen wird, wird dies durch ein stummes „h“ angedeutet, ebenso bei z.
B. doh u. a. (doch, im Ötztaler Dialekt: decht), dih (dich, im Ötztaler Dialekt di), ich (ich; im Ötztaler
Dialekt: i) usw. b) Schließlich wird gemeint bzw. angeraten, das stumme „h“ auch in der
Mundartschreibung beizubehalten (z. B. Hahn-Hohn, manche schreiben Hon oder Hoon, um die
Länge des o anzuzeigen). Hierzu vertrete ich die Auffassung, ein h nur dort zu schreiben, wo es auch
hörbar ist (seahn, aber: gean).
[3] Dass e nicht durch ö ersetzt werden sollte, ist zutreffend (des-dös, Lebm-Löbm).
[4] Die Unterscheidung des Artikels die (di, manchmal de) und Demonstrativpronomens diese (die) ist
im Ötztaler Dialekt gegeben. Eine Verwechslung des Artikels das (is) mit dem Demonstrativpronomen
dieses (dos, sall) ist ebenso ausgeschlossen.
[5] Hauer29 ist dagegen, bei st und sp scht und schp zu schreiben und erachtet dies als „Unfug“. Das
ist m. E. letztlich eine Geschmacksfrage. Im Sinne einer konsequenten phonetisch ausgerichteten
Schreibung kann ich diese Auffassung jedoch nicht unbedingt teilen. Zu oft habe ich nämlich erlebt,
wie selbst mundartkundige Personen beim Lesen die Aussprache eben nicht richtig vornehmen.
[6] Andere angeführte Empfehlungen sind größtenteils für den Ötztaler Dialekt wenig relevant und
können daher vernachlässigt werden:

     das nasalierte n (do schteat oa/a Bamen; i sich oen/an Bamen);
     Adverb und Präposition zu: ze, zen (die Frage nach der Groß- oder Kleinschreibung habe ich

         bereits gestellt, Hauer empfiehlt diesbezüglich die Kleinschreibung bei Infinitiv (onfongen

28 Hauer Johannes: Die Schreibung unserer Mundart. Mit kurz gefasster Poetik (Versmaß, Reime, Strophen) und Hinweisen
auf die Stilistik. Wels/Verlag Welsermühl 1984 (2), 17 [besonders 16-75]
29 a. a. O., 50 f

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