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Geschichten Joseph (Sepp) Rossa



               Auf der Alm

               Langsam weicht die Dunkelheit aus dem Tal. Da und dort ist die Schelle einer

               noch grasenden Kuh zu hören. Am Keg geht knarrend eine Hüttentür auf. Ein
               unrasierter Mann, die kurzen Haare wirr am Kopf schlurft nur mit einer

               Lodenhose bekleidet zum nahen Brunnen. Prustend spritzt er sich ein paar mal
               mit den Händen des eiskalten Wassers ins Gesicht und verschwindet wieder in

               der Hütte. Bald darauf kommt er wieder, diesmal eine alte Pfoad übergezogen,
               schlüpft barfuß in die Holzschuhe die vor der Hütte stehen, nimmt sich den
               Stecken der an der Wand lehnt und beginnt talabwärts zu gehen. Eilig rennt der

               verschlafene Bub hintennach und sie beginnen das Vieh zum morgendlichen
               Melkgang in die Stallungen zu holen. Einige Kühe kommen ihnen schon entgegen

               nur eine Scheckin, unten am Bach grasend, denkt nicht daran ihr Frühstück
               aufzugeben. Und obwohl sie nicht den Suchenden gehört, sondern dem
               Nachbarn, steigt der Bub doch hinab zu ihr gibt ihr mit der flachen Hand eine

               aufs Hinterteil und widerwillig bewegt sich die Kuh aufwärts.
               2 Stunden später, nach dem die Kühe gemolken sind, weht ein harziger

               Brandgeruch durch das Keg und ein dünner Rauchfaden zieht aus den Kaminen.
               Die Senner sind beim Frühstück machen.

               Es gibt kein Bad oder Dusche. Dennoch wäscht man sich morgens und am
               Abend. Kalt halt. Der Senner braucht keine Maniküre. Von der harten Arbeit

               sind die Fingernägel stets so abgenützt, dass sich kein Dreck dahinter ansammeln
               kann. Und die Innenflächen der Hände sind blank gescheuert vom ungehobelten
               Holz, den rauhen Steinen und den lederigen Kuhdutten. Vom Ausmisten, vom

               Vieh putzen, vom Zäunen, vom Kasen, vom Buttern....von arbeiten und schinden.
               Am Abend gibts ein, zweimal in der Woch a Melchermuas, sonst tuats ein

               Butterbrot, a Trum Kaas und Milch auch. Und dann sitzen sie beisammen und
               reden, vom morgigen Tag, von der krumben Bless vom Acherer, und trinken
               vielleicht einmal a Maul voll Schnaps dazua. Man redet mitnand und is für

               einand da.


               So wars einmal....


               In der Zwischenzeit hat der Gluthauch des Wahnsinns im zweiten Weltkrieg auch
               über die Berge und Täler seinen Terror und sein Sterben gebracht. Mit seinem

               unsinnigen Massenmorden war die zwar harte, aber dennoch friedvolle alte Zeit


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